St. Ursula-Schule Hannover

„Junge Bürgerinnen und Bürger aktiv für Europa“

 

In den letzten Jahren, in denen Europa mit den Folgen der Finanzkrise zu kämpfen hatte, wurde das Zusammengehörigkeitsgefühl vieler Europäer auf eine harte Probe gestellt. Die Probleme trafen in besonderer Weise junge Leute, die aufgrund der wirtschaftlichen Situation plötzlich ihre Lebensperspektive in Frage gestellt sahen. Nicht nur die Regierungen von Ländern, deren Sparmaßnahmen zu sozialen Härten führten, sondern auch die Institutionen der EU, die solche Maßnahmen verlangten, zogen den Unmut auf sich. Auch die Einstellung gegenüber einzelnen europäischen Nachbarn wurde kritischer. Die wachsende Unzufriedenheit brach sich Bahn in Massenprotesten junger Menschen, die in Madrid, Rom oder Athen auf die Straßen gingen. Sie spiegelte sich auch wider im Erfolg euroskeptischer Parteien an der Wahlurne.

Und doch – wer genau hinschaut, findet jenseits all des öffentlichen Lärms an vielen Orten ganz unaufgeregte und selbstverständliche Bekenntnisse zu Europa – nicht zuletzt bei jungen Leuten. Da ist beispielsweise Piotrek aus der polnischen Kleinstadt Drzierzoniow, der sich aktiv in der „European Association for Human Rights“ engagiert. In derselben Stadt lebt Barbara, die bei einer länderübergreifenden Initiative zur Versorgung von Bedürftigen in Europa mit Lebensmitteln mitarbeitet. Der Einsatz junger Menschen wie Barbara und Piotrek für andere, auch in anderen Teilen Europas, wurde in einem Videofilm beleuchtet, der für das 17. Interkulturelle Seminar des Europäischen Schulnetzwerks St. Marienthal hergestellt wurde. Als „Hausaufgabe“ für dieses Seminar, das von der St. Ursula-Schule Hannover und dem Internationalen Begegnungszentrum St. Marienthal ausgerichtet wurde, hatten Schüler aus den beteiligten acht europäischen Nationen kleine Filme gedreht. Diese Videoclips dokumentierten, wie groß die Bereitschaft junger Leute ist, anderen Menschen auch über Grenzen hinweg zu helfen - und welches Potential in ihnen selbst steckt.

Seit seiner Gründung vor nun beinahe zwanzig Jahren war es das Bestreben des Europäischen Schulnetzwerks St. Marienthal, dieses Potential zu fördern und ein wahrhaft vereintes Europa an seiner Basis immer wieder neu entstehen zu lassen. Das Seminar vom 8.-15. September 2013, zu dem 63 Teilnehmer aus acht Nationen in das Zisterzienserinnen-Kloster St. Marienthal im Dreiländereck Deutschland-Polen-Tschechien gereist waren, sollte auch nach außen hin demonstrieren, wie dies in der Praxis geschieht.

 

 

Im Mittelpunkt der Aktivitäten standen verschiedene Film-Workshops, die dieses Zusammenwachsen aus verschiedenen Perspektiven beleuchteten. Eine dieser Gruppen drehte einen Kurzfilm, der aus sehr persönlichen Blickwinkeln zeigte, wie sich eine europäische Gemeinschaft im Kleinen durch gemeinsames Zusammenleben und Arbeiten entfaltet. Was wie ein scheinbar selbsttätiger natürlicher Vorgang klingt, ist in Wirklichkeit ein sehr komplexes Geschehen, an dem jeder mit gutem Willen mitwirken muss, damit es gelingen kann. Der Film zeigt, welche Stolpersteine auf dem Weg liegen und wie man sie überwinden kann. Zu solchen Hindernissen gehören zum Beispiel Vorurteile gegenüber anderen Nationen, aber auch ganz alltägliche Dinge, die etwa das Zusammenleben mehrerer Menschen aus verschiedenen Ländern in einem gemeinsamen Zimmer der Unterkunft betreffen. Die Bereitschaft, aufeinander zuzugehen, einander zuzuhören, nach Kompromissen zu suchen und die anderen so anzunehmen, wie sie sind, das ist der „Geist von St. Marienthal“, wie einer der Teilnehmer formulierte.

 

 

 

Dieser Geist war es auch, der diesen Kurzfilm und weitere Videoclips entstehen ließ, die in ihrer künstlerischen und handwerklichen Qualität auch den betreuenden Fachleuten Respekt abnötigten. Die Seminarteilnehmer zeigten in einer großen Zahl von Bereichen der Filmproduktion, was in ihnen steckte: als Schauspieler, bei Filmregie, Kameraführung, Tontechnik, Kulissenbau, Maskenbildung oder Videoschnitt. Daneben kamen auch andere künstlerische Talente zum Zug: Die Musik für den Kurzfilm wurde in einem eigenen Workshop, der sich aus einem Chor und einer Band zusammensetzte, komponiert und aufgenommen. Alle Aktivitäten wurden, wie bei den Seminaren des Schulnetzwerks üblich, von einem Stab von „Seminar-Reportern“ begleitet, die das Geschehen medial für eine Präsentation im Internet aufbereiteten.

 

Das, was im Kontext von Projekten gewöhnlich etwas lieblos als „Produkte“ solcher Aktivitäten bezeichnet wird – hier die Filme, die Musik oder die Beiträge der Reportergruppe – bildete eigentlich eher ein Gesamtkunstwerk, in dem sich ein Stück Europa manifestierte. Zu diesem Kunstwerk gehörten auch die Aufführungen der nationalen Gruppen an interkulturellen Abenden. Musik und Tanz zum Mitmachen aus den verschiedenen Regionen des Netzwerks waren hier ein verbindendes Element, das das „Tagewerk“ organisch ergänzte: Das Ende eines jeden Arbeitstages war der stilvollen interaktiven Unterhaltung gewidmet.